Islam und Muslime in Deutschland und Europa
Die Integrationspolitik in Deutschland scheitert. Die Gesellschaft ist dabei, sich zu spalten. Neben der zunehmenden Fundamentalisierung der bereits seit längerem hier lebenden Muslime erfahren auch der Rassismus und ausländerfeindliche Attitüden einen Aufschwung. Auch die nun ankommenden Menschen aus den Kriegsgebieten stellen eine große Herausforderung dar, für die integrationspolitisch viel zu wenig getan wird. Die Entwicklungen sind interdependent. Eine Politik, die sich an den Grundsätzen der Aufklärung und des Humanismus orientiert, ist längst überfällig, wenn wir an einem gemeinsamen Europa interessiert sind.
Der Text soll einen fragmentarischen Überblick über den Islam und die Muslime in Europa und vor allem in Deutschland liefern, wobei die nun ankommenden Flüchtlinge dabei nicht berücksichtigt werden können, weil die Fakten- und Studienlage noch unzureichend ist.
Gerade, weil eine differenzierte Diskussion bei diesem Thema wichtig ist, werden die getroffenen Aussagen durch (vor allem) empirische Studien gestützt. Dabei soll nicht nur der Ist-Zustand beklagt, sondern auch mögliche Ursachen von Exklusion beleuchtet werden, um Ansätze für eine konstruktivere Integrationspolitik zu liefern.
Integration
Unter ‚Integration’ verstehe ich eine gewollte kulturelle, soziale und wirtschaftliche Annäherung von Menschen mit Migrationshintergrund an die Aufnahmegesellschaft. Im Gegensatz zur Assimilation bedeutet dies nicht die vollkommene Aufgabe der eigenen kulturellen Identität, sondern ein gesellschaftliches Miteinander (passender wäre folglich vielleicht der Begriff ‚Inklusion’). Als zentrale Determinanten für gelingende Integration erachte ich u.a. das Erlernen der jeweiligen Landessprache, gesellschaftliche Partizipation und eine Adaption kultureller Werte (hier z.B. die Identifikation mit demokratischen Werten, den Menschenrechten, die Gleichberechtigung von Mann und Frau oder auch die Rechtsstaatlichkeit). Für das Gelingen von Integration ist eine Aufgeschlossenheit und vor allem die Gewährung von Chancengleichheit durch die Aufnahmegesellschaft unabdingbar. Integration ist also ein beidseitiger Prozess der Annäherung und das Schaffen eines harmonischen Miteinanders, welches letztlich zu einer Transkulturalität führt. Es gibt keine ethnonational statische Aufnahmegesellschaft, in die Migranten spurlos aufzugehen haben. Gesellschaften sind hybrid, dynamisch und haben keine einheitliche Identität. Sie können aber dann partizipativ-gesellschaftlich sein, wenn ihre Mitglieder sich an freiheitlich-demokratischen Prinzipien orientieren.
Muslime in Deutschland/Europa – Separation statt Integration
Derzeit leben zwischen 3,8 und 4,8 Millionen Muslime in Deutschland. Davon hat rund die Hälfte der in Deutschland lebenden Muslime mit Migrationshintergrund die deutsche Staatsangehörigkeit[1]. Der Islam ist die am stärksten wachsende Religion weltweit. Laut Studie des Pew Research Centers werden in Europa in 35 Jahren 10,2% der Bevölkerung muslimisch sein, 2010 waren es 5,9%[2]. Im Kontext der Flüchtlingskrise wird diese Zahl deutlich nach oben zu korrigieren sein.
Laut Studie des WZB ist der Fundamentalismus, d.h. eine strenge Auslegung des Korans[3] und dessen Prinzipien (mit Anerkennung dieser als alleinige Wahrheit), auch in Europa weit verbreitet: Zwei Drittel der befragten Muslime halten religiöse Gesetze für wichtiger als die Gesetze des Landes, in dem sie leben, drei Viertel finden, dass es nur eine mögliche Auslegung des Korans geben könne, fast 60% der befragten Muslime lehnen homosexuelle Menschen als Freunde ab[4] und 45% denken, dass man Juden nicht trauen kann.[5]
Die Längsschnittstudie „Deutsch-Türkische Lebens- und Wertewelten“ verifiziert obiges Postulat und stellt darüber hinaus bedenkliche Tendenzen fest. Religiöse Ressentiments, vor allem gegenüber Atheisten und Juden, nehmen zu: 25% der befragten Türken gaben 2012 an, Atheisten als minderwertige Menschen zu betrachten (gegenüber 22% im Jahre 2010), 18% empfanden Juden (2010 -> 14%) als minderwertige Menschen. 40% der Befragten gaben 2010 an, am liebsten nur mit Türken zusammen zu sein, 2012 erhöht sich diese Zahl auf 62%. Außerdem wünschten sich 2012 46% der Befragten (2010 -> 33%), dass in Deutschland irgendwann mehr Muslime als Christen wohnen werden. Vor allem die Jugend wird immer religiöser und wünscht sich z.B. mehr Moscheen in Deutschland. Nur knapp 10% der Befragten gaben an, gar nicht religiös zu sein. Der Anteil derer, die sich als streng religiös bezeichneten, stieg von 33% (2009) auf 37% (2012) an. Die islamische Religion nimmt einen immer wichtigeren Anteil im Wertgefüge ein.[6]
Das Rollenverständnis von Mann und Frau ist überwiegend konservativ und wird immer konservativer: 70% (2010 -> 66%) gaben an, dass der Mann die Aufgabe hat, die Familie zu ernähren und 64% (2010 -> 56%) sind der Meinung, die Frau dürfe keinen Geschlechtsverkehr vor der Ehe haben, was bei Männern (2012 -> 43%, 2010 -> 38%) nicht so wichtig zu sein scheint. Dabei fällt auf, dass die Einstellung zu Geschlechterrollen und dem Familienverständnis mit dem Schulabschlussgrad moderner wird.[7]
Es gibt neben der mangelhaften kulturellen Integration u.a. auch signifikante Defizite in der strukturellen Integration vor allem türkisch-stämmiger Migranten (größte Migrantenpopulation in Deutschland, 80% der Muslime in Deutschland). Vor allem in puncto Schulabschlüsse, Erwerbstätigkeit und Sprachkenntnisse liegen türkische Migranten weit zurück, was vor allem auch durch extrem niedrige Werte bei türkischen Frauen zu erklären ist.[8]
Besorgniserregend ist außerdem die Zahl delinquenter Migranten, die (vor allem bei türkischen Migranten) überproportional groß ist. Zudem konnte aufgezeigt werden, dass mit dem Grad an (islamischer) Religiosität auch die Gewaltbereitschaft zunimmt.[9]
Die Eheschließung, ein weiterer wichtiger Indikator für soziale Integration, ist zunehmend intramuslimisch, bikulturelle Ehen sind eine Seltenheit. Muslimische Frauen heirateten im Jahre 2000 zu 74% muslimische Männer, 2008 stieg der Anteil auf 83%. Muslimische Männer heiraten öfter außerhalb ihrer Religionsgemeinschaft (2000 -> 43%, 2008 -> 66%).[10] Dieser Trend ist z.B. auch in der Schweiz festgestellt worden.[11]
Konkludierend ist festzuhalten: Muslimische Migranten sind weitaus schlechter integriert als nicht-muslimische Migranten. Die Entwicklung deutet zudem auf eine weitere Segregation hin. Die islamische Religiosität scheint ein ausschlaggebender Integrationshemmer zu sein.[12]
Allerdings gibt es auch Hoffnung: 78% der in obiger Studie befragten Türken gaben 2012 an, sich ohne Abstriche in die deutsche Gesellschaft integrieren zu wollen.[13] Deshalb ist es besonders wichtig, die Gründe für das Scheitern von Integration zu ermitteln, um diesen Wunsch erfüllen zu können.
Etwaige Gründe
Die Gründe für die besorgniserregenden Ergebnisse dieser Studien dürften verschiedene sein, die in Zusammenhang miteinander stehen. Anbei möchte ich einige Gründe aufzählen, die ich nach subjektiv beurteilter Plausibilität und Relevanz geordnet habe:
1) Religion als Integrationshindernis
Die zunehmende Religiosität führt zur Separation. Obgleich die meisten türkischen Jugendlichen nicht (mehr) im „traditionellen Sinn“ gläubig sind und z.B. nicht alle Regeln der fünf Säulen des Islams befolgen, geschweige denn den Koran gelesen haben, etikettieren sich viele mit dem Attribut „Moslem“ und bezeichnen sich immer häufiger als gläubig. Auch nicht-religiöse Türken neigen dazu, sich mit dem Islam zu identifizieren, weil er eine kulturelle Zugehörigkeit symbolisiert.
Religionen bieten ein starkes Wir-Gefühl (Ingroup-Altruismus), welches gleichzeitig oft zu einer Distanz gegenüber anderen Gruppen führt (Outgroup-Diskriminierung). Die Mehrheit der Muslime weltweit teilt die Menschheit in zwei Gruppen ein: Muslime und Verdammte.[14] Im Koran ist die Abwertung und Bekämpfung von Ungläubigen das zentrale Thema, was u.a. dazu führt, dass in 13 Ländern dieser Erde (alle islamisch) Atheisten zum Tode verurteilt werden. Darüber hinaus werden in Moscheen noch immer Werte und eine Moral vermittelt, die 1400 Jahre alt und nicht reformiert worden sind. Religion ist identitätsstiftend und ihre Vertreter fungieren als Sozialisationsinstanzen.
Vielerorts ist der Islam eine „Kultur der Ehre“, welche gewaltlegitimierende Männlichkeitsnormen und ein antiquiertes Rollenverständnis von Mann und Frau vereint. Auch wenn die meisten Grundlagen dessen nicht genuin islamisch sind, werden sie im religiösen Kontext als Ideale verkauft und wirken so normativ. Genauso normativ soll das Handeln des Propheten Mohammed (sunna) sein, welcher als Vorbild ob der vielen Angriffskriege, die er führte, der Diskriminierung von Vertretern anderer Weltanschauungen und der Tatsache, dass er ein 9-jähriges Kind ehelichte, zumindest in Frage gestellt werden muss.
Der Islam ist genau wie der Koran facettenreich und nicht pauschalisierbar. „Den Islam“ gibt es nicht, er ist das Konglomerat der religiösen Praxis aller Muslime. Folgenreich für die Religiosität der Individuen sind aber gängige Methoden der Interpretation, Auslegung und Rezeption des Korans, welche überwiegend konservativ und wenig kritisch praktiziert werden. Diese klassische Auslegung des Korans ist mit demokratischen Grundsätzen und den Menschenrechten oft nicht kompatibel. Zudem lehrt der Koran, dass seine Inhalte unhinterfragbar sind und zeichnet den Glauben vor dem Wissen aus, was von Imamen vielerorts unkritisch gepredigt wird. Der Islam vermag Muslimen ein stabiles Lebensgerüst und ein starkes Zugehörigkeitsgefühl bieten, steht den kulturellen Erzeugnissen der Aufklärung allerdings oftmals diametral gegenüber. Die u.a. durch den Koran und seinen Vertretern propagierten Normen führen zu einem Kulturkonflikt und zu Parallelgesellschaften, weil sie im partiellen Konflikt mit der Mehrheitskultur stehen. Dass Migranten muslimischen Glaubens in ganz Europa schlechter integriert sind als andere Migranten, ist ein Indiz dafür, dass die Religiosität/Kultur einen großen Einfluss hat.
2) Segregation aufgrund von Rassismus
65% der Deutschen betrachten Muslime mit Skepsis und der Rassismus erfährt eine besorgniserregende Renaissance.[15] Vielerorts wird „das Fremde“ nur noch als Gefahr erlebt.
In der Studie „Deutsch-Türkische Lebens- und Wertewelten 2012“ gaben 16% der befragten Türken an, aufgrund ihrer türkischen Abstammung körperlich angegriffen worden zu sein, 2010 bejahten dies 8%. Auch die Beschimpfungen in der Öffentlichkeit durch Deutsche aufgrund des türkischen Aussehens haben gemäß der Studie 40% der (jugendlichen) Türken erleben müssen. Fast 50% der gleichen Population gab an, aufgrund der Religionszugehörigkeit beschimpft worden zu sein.[16] Der Rassismus steigt im Zuge der Flüchtlingskrise rasant an und fördert eine Spaltung der Gesellschaft.
In ganz Europa werden Migranten aus islamisch geprägten Ländern misstrauisch beäugt, was seit des weltweit erstarkenden islamischen Terrorismus, der heute den größten Anteil des weltweiten Terrorismus überhaupt ausmacht, die Gefahr des Generalverdachts evoziert. Schon sprachlich ist eine fehlende Differenzierung erkennbar: Heutzutage werden alle Einwanderer aus islamisch geprägten Ländern „Muslime“ genannt; egal, ob gläubig oder nicht. Säkularisierte und oft auch atheistische Migranten werden dabei sprachlich außer Acht gelassen.
Viele Muslime werden als potenzielle Terroristen gebrandmarkt. Auch, wenn sie mit der Doktrin der Terroristen so wenig zu tun haben wie der reformierte Christ von nebenan. Die Medien und rechte, vermeintlich für den Erhalt der deutschen Gesellschaft eintretende, Gruppen wie die PEGIDA machen Stimmung gegen muslimische Migranten allgemein und sind dabei, die Gesellschaft zu entzweien. Die Anschläge und Übergriffe auf Flüchtlingslager mehren sich.
Wer sich ständig mit dem Pauschalverdacht des potenziellen Terroristen konfrontiert sieht, fühlt sich verständlicherweise wenig motiviert, diesen Menschen kulturell näherzukommen und sucht innerhalb eigener Kulturvertreter soziale Anerkennung.
Es wird von der Mehrheitsgesellschaft viel zu oft verkannt, dass der Islam genauso facettenreich ist, wie die Menschen selbst und deshalb nicht per se generealisier- und pauschalisierbar als rückständig zu bezeichnen ist, obgleich der Koran, genau wie die Bibel, diese Rückständigkeit bezüglich seiner Moral in vielen Teilen repräsentiert.
Die Stigmatisierung des Islams und der Muslime als rückständig, kann qualifizierte Denker daran hindern, positiv gesellschaftlich zu partizipieren und die Debatte auch aus muslimischer Sicht zu beleuchten. Oft muss aus einer kontraproduktiven Verteidigungshaltung heraus die Religion gerechtfertigt werden. Konstruktive Prozesse werden dadurch vernachlässigt oder kommen gar nicht erst zustande.
3) Stellvertretende Viktimisierung
Dieser Faktor scheint vor allem bei Muslimen ein wichtiger zu sein. Er beruht darauf, dass sich Muslime, die selbst keine Erfahrungen mit sozialer Schlechterstellung oder Diskriminierung haben, mit anderen Muslimen identifizieren, die aus ihrer subjektiven Sicht einen Opferstatus haben. Die Umma, das Konglomerat aller Muslime weltweit, kennt keine Ländergrenzen. So identifizieren sich auch in Europa aufgewachsene und lebende Muslime mit Muslimen, die in Ländern leben, welche durch „den Westen“ ausgebeutet bzw. bekriegt wurden oder werden. Daraus resultiert eine Zugehörigkeit zu einer (imaginären) Gemeinschaft, die es erschwert, sich zur Aufnahmegesellschaft zugehörig zu fühlen, selbst wenn Integrationserfolge in Schule und Beruf erzielt wurden.
Bei Vietnamesen, deren Land durch die USA ebenfalls bekriegt wurde, sind daraus resultierende ablehnende Haltungen gegenüber „dem Westen“ allerdings weitaus seltener anzutreffen. Sie sind überaus gut integriert, obgleich sie sehr unter dem Krieg mit den USA gelitten haben.[17]
4) Sozioökonomische Ursachen
In den letzten 50 Jahren sind vor allem sehr viele Menschen mit vergleichsweise geringer formaler Bildung aus dem ärmeren Osten der Türkei zugewandert.
Diese stoßen allein schon aufgrund ihrer mangelnden Grundbildung öfter auf sprachliche und somit weitere Bildungsprobleme, die eine Integration erschweren. Gemäß der Anomietheorie Mertons neigen Personen, die nicht die Mittel haben, um auf legitimem Weg kulturelle Ziele (Einkommen, Status) zu erreichen, dazu, vermehrt zu illegitimen Mitteln zu greifen. Dies kann z.B. die hohe Kriminalitätsrate von Muslimen in Deutschland erklären.
Islamische Verbände in Deutschland
Nur ca. 20 Prozent der Muslime sind in religiösen Vereinen und Gemeinden organisiert. Weniger als 25 Prozent der Muslime fühlen sich ohne Einschränkung von den in der DIK präsenten islamischen Verbänden vertreten.[18] Allerdings existieren z.B. im türkischen Bereich kaum Moscheen, die nicht an einen der islamischen Dachverbände gebunden sind. Vier dieser islamischen Dachverbände möchte ich exemplarisch vorstellen:
a) Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DİTİB)
DITIB ist die mitgliederstärkste islamische Organisation und wurde von der Religionsbehörde in Ankara gegründet. Die Imame und Religionslehrer werden aus der Türkei und immer nur für kurze Zeit nach Deutschland entsandt, sprechen meistens nur Türkisch und vertreten stets das aktuelle Religionsverständnis der Türkei. Dieses wird zurzeit durch die Regierung Erdogans immer konservativer und traditioneller. Zuletzt wurde von der obersten Religionsbehörde der Türkei eine Fatwa veröffentlicht, die das Händchenhalten und Flirten verlobter Paare verbietet, Erdogan bezeichnete Verhütung kürzlich als „Landesverrat“.[19]
b) Islamische Gemeinschaft Milli Görüş
Eine vom Verfassungsschutz beobachtete Organisation mit islamistischen Tendenzen.
c) Verband der Türkischen Kulturvereine in Europa
Eine extrem nationalistische und konservative Organisation.
d) Zentralrat der Muslime
Dieser Verband repräsentiert lediglich 0,5% der Muslime in Deutschland, sein Vorsitzender, Ayman Mazyek („Die Scharia ist mit dem Grundgesetz vereinbar“) spielt sich an der Seite von Angela Merkel oder in diversen Talkshows aber gerne als Repräsentant aller Muslime auf.
Dem ZdM wird außerdem eine Nähe zur Muslimbruderschaft nachgesagt, welcher eine Rückkehr zu „den wahren Werten des Islams“ anstrebt und einen „wahrhaft islamischen Staat anstrebt“.[20]
Es ist bekannt, dass diese Verbände weitestgehend einen strengen, fundamentalistischen Islam vertreten. Auch Lale Akgün, SPD-Islambeauftragte und selbst Muslima, warnt vor den Verbänden: „Ihr wahres Gesicht ist eine rückwärtsgewandte Theologie mit Koranschulen für Kinder, schwarzer Pädagogik und einer konstruierten islamischen Identität“. [21]
Die Imame in den Moscheen wirken als Sozialisationsinstanzen und können Integration durch eine fundamentalistische Lesart des Korans verhindern. Konservative Verbände werden von der Politik hofiert und moderate Kräfte wie das jüngst gegründete Muslimische Forum ignoriert. Diese konservativen Islamverbände sollen künftig als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt werden, wodurch sie z.B. mehr Einfluss auf den Islamunterricht in Schulen gewinnen könnten.[22] Außerdem sollen die Verbände Integrationspaten stellen, eine höchst kontraproduktive Idee.[23] Die Unbeweglichkeit in der islamischen Theologie tut ihr Übriges.
Appell
Die Integration von Muslimen scheitert an verschiedenen Stellen und wird mittel- bis langfristig zur Bildung von Parallelgesellschaften führen, wie sie bei den Pakistanis in London oder bei Türken in einigen Gebieten Berlins schon heute anzutreffen sind. Dies bewirkt sukzessive einen Rechtsruck in der Gesellschaft, der die Fronten weiter verhärtet und die Idee eines friedlichen, transkulturellen Europas gefährdet. So entsteht die Gefahr, dass aus „dem Anderen“ in der Wahrnehmung Vieler wieder primär etwas Schlechtes wird, die Gesellschaft würde sich in vermeintlich homogene Gruppen spalten, die sich u.a. auch durch eine Abwertung und in Abgrenzung zur jeweilig anderen definiert. Dies darf nicht passieren.
Die dargestellten besorgniserregenden Tatsachen und Tendenzen müssen als Gefahr für ein Europa der Vielfalt und Offenheit und vor allem für ein Europa im Licht der Aufklärung erkannt und behoben werden. Die linke Appeasement-Politik scheint sich dessen aufgrund der Besorgnis, als ausländerfeindlich diffamiert zu werden, nicht annehmen zu wollen. Die fatale Folge der unkritischen (!) Vielfaltlobhudelei[24]: Ideologisierten Krisengewinnern wird die Integrationsdebatte überlassen.
Die daraus resultierende pauschalisierende Stigmatisierung von Muslimen im Kollektiv ruft Sympathien für die Stigmatisierten hervor, die sich ihre durch die multikulturelle Beschwichtigungspolitik bereits gewonnene Opferrolle, in welcher Islamkritik allzu oft als Kulturimperialismus fehlgedeutet wird, weiter zunutze machen können. Dadurch werden Probleme wie die demokratiefeindlichen Potenziale von Religionen (insbesondere des unreformierten Islams) gar nicht erst angegangen, obgleich sie faktisch kaum zu leugnen sind. Hier wird die nationalsozialistische Geschichte Deutschlands einen wichtigen Teil dazu beigetragen haben, dass sich die muslimische Diaspora einem rational-kritischen Diskurs entziehen kann und sich gleichzeitig gegen Kritik immunisiert. Wie den Studien zu entnehmen ist, kann man in Europa z.B. kaum davon sprechen, dass islamischer Fundamentalismus nur ein Randphänomen ist, obwohl das in den Medien immer wieder konstatiert wird.
Vor allem angesichts der Flüchtlingskrise (die sich im Zuge des Klimawandels noch verschärfen wird) muss die Integrationspolitik grundlegend überdacht und aus Fehlern gelernt werden.
Wenn der Islam selbst Integrationshindernis ist, und darauf deutet vieles hin, muss dies in die Integrationspolitik mit einfließen. Die rückständigen und integrationsverhindernden Elemente der islamischen Religion müssen vehementer zurückgewiesen und gleichzeitig Alternativen angeboten werden. Über kurz oder lang ist eine Reformation des Islams unabdingbar, welche von den Muslimen selbst initiiert werden muss.[25] Erste Bestrebungen gibt es: Islamkritiker und liberale Muslime haben sich in einem „Muslimischen Forum“ zusammengeschlossen. Dieses will z.B. eine kritisch-historische Lesart des Korans etablieren, mit der u.a. die gewaltverherrlichenden Verse des Korans im zeitlichen Kontext gesehen werden sollen; viele Verse würden ihre Bedeutung für das heutige Leben dadurch verlieren. Die deutsche Politik täte gut daran, mit solchen Verbänden zu kooperieren anstatt die konservativen Verbände zu bevorzugen. Die Vertreter des moderaten Islams haben es auch ohne die Unterstützung der Politiker schwer genug: Der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide, ebenfalls Mitbegründer des muslimischen Forums und Islamwissenschaftler an der Universität in Münster, der einen Islam der Barmherzigkeit propagiert und sich für die Auswahl zeitgemäßer Narrative des Korans einsetzt, hat für seine progressive Theologie bereits Morddrohungen erhalten. Die Reformation des Islams muss ergo von deutschen Politikern unterstützt und mitgetragen werden. Im gleichen Atemzug sollte restriktiver gegen fundamentalistische Strömungen und Verbände vorgegangen werden.
Ob der sich allmählich etablierende Islamunterricht an Schulen vorzugsweise mit Vertretern eines liberalen Islams gespeist werden sollte, um einen Reformationsprozess zu initiieren oder ein für die Schüler aller Religionszugehörigkeiten vereinender Ethikunterricht ohne Missionierungsauftrag etabliert wird, müsste m.E. intensiver diskutiert werden. Generell sollte die „Verkirchlichung des Islams“, also die tiefere Etablierung des Islams in Deutschland, überdacht werden.[26] Würde man sich politisch für eine Säkularisierung entscheiden, müsste man selbstverständlich zunächst die Kirche in ihrem Einfluss beschneiden. Wenn im Klassenzimmer von Lehrerinnen keine Kopftücher mehr getragen werden dürfen ist es absurd, die Kreuze darin hängen zu lassen.
Integration ist ein gegenseitiger Prozess. Diejenigen, die aufgefordert werden, sich zu integrieren, müssen das Gefühl auf überzeugende Weise vermittelt bekommen, dass sie hier akzeptiert und erwünscht sind. Integration kann nur gelingen, wenn auch Chancen gegeben werden. Dass Türken beispielsweise bei Berufseinstellungen vernachlässigt werden, ist kein Geheimnis.
Die deutsche Integrationspolitik hat es verfehlt, den Migranten eine Identität zu bieten. Die Vernachlässigung dieser Symbolpolitik (u.a.) mündete in der Zuwendung zur islamischen Identität. Die USA, ein sehr patriotisches Land, bietet den Migranten eine haltgebende Identität. Migranten sind dort weitaus besser integriert.[27]
Ich bin weit davon entfernt, patriotisch zu sein und glaube, dass eine Identität auch über Ländergrenzen hinweg gebildet werden kann, wenn man diese aus dem (evolutionären) Humanismus bezieht. In der Leitkulturdebatte, die ohnehin negativ vorbelastet ist, wird immerzu vergessen, dass wir den gesellschaftlichen Fortschritt Europas der Aufklärung und dem Humanismus zu verdanken haben.[28] Wer erkennt, dass wir alle zunächst Menschen sind, die weitaus mehr vereint als eine Religions- oder Staatszugehörigkeit, wird sich kaum mehr nur als Muslim, Christ, Türke oder Deutscher verstehen, wodurch der Grundstein für ein harmonisches Miteinander gebildet werden kann. Sowohl Rassismus als auch der fundamentalistische Islam kennen dieses übergeordnete Wir nicht, sondern formulieren es immer in Abgrenzung zum Anderen, vermeintlich Schlechteren.
Der Segregation muss Partizipation weichen. Es müssen Begegnungen geschaffen, gemeinsame Erfahrungen gesammelt und innerhalb eines kritischen Diskurses voneinander gelernt werden. Nur so können Gesellschaften wie jene in Europa, die aus mannigfaltigen Kulturen und Menschen bestehen, dauerhaft Bestand haben. Dazu muss sich die Politik an den Prinzipien der Aufklärung und des Humanismus orientieren, welche die wohl profiliertesten Denkansätze für ein gemeinsames Miteinander und sogar gesellschaftlichen Fortschritt liefern können.
Quellen
[1]https://www.bmi.bund.de/cae/servlet/contentblob/566008/publicationFile/31710/vollversion_studie_muslim_leben_deutschland_.pdf
[2] http://www.n24.de/n24/Nachrichten/Politik/d/6417632/bald-ist-jeder-zehnte-deutsche-muslim.html
[3] Der Koran wird, anders als die Bibel, als das direkte Wort Gottes verstanden, dem Folge zu leisten ist. Gemeinhin wird angenommen, dass Mohammed, der Prophet Allahs, weder lesen noch schreiben konnte, weswegen Erzengel Gabriel Mohammed die Verse in sein Herz schrieb/offenbarte. Das ist aus mehreren Gründen unsinnig, allerdings verbreiteter Konsens in der muslimischen Community, was eine Reformation oder das „Cherry-Picking“ neben dem Fehlen einer zentralen muslimischen Instanz und vielen anderen Faktoren zusätzlich erschwert.
[4] Homosexuelle werden im Koran analog zur Bibel als Untermenschen degradiert (http://de.wikipedia.org/wiki/Homosexualität_im_Islam). Die Ablehnung gegenüber Homosexualität dürfte darüber hinaus auch auf ein stark vom Patriarchat geprägtes Rollen- und Geschlechterverhältnis zurückzuführen sein (für einen Einblick empfehle ich Sure 4 im Koran, welche thematisch die Frauen behandelt).
[5] http://www.wzb.eu/de/pressemitteilung/islamischer-religioeser-fundamentalismus-ist-weit-verbreitet
[6] https://d171b.keyingress.de/multimedia/document/6.pdf?hc_location=ufi
[7] Vgl. ebd.
[8]https://www.bmi.bund.de/cae/servlet/contentblob/566008/publicationFile/31710/vollversion_studie_muslim_leben_deutschland_.pdf
[9]http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung2/Pdf-Anlagen/gewalttaetigkeit-maennliche-muslimische-jugendliche,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/integration/integration-gewaltbereitschaft-als-kultur-1992761.html
[10] http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung2/Pdf-Anlagen/gewalttaetigkeit-maennliche-muslimische-jugendliche,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf
[11]http://www.nzz.ch/nzzas/nzz-am-sonntag/muslime-lieben-lieber-ihresgleichen-1.18507158
[12]http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/integration/integration-gewaltbereitschaft-als-kultur-1992761.html
[13] https://d171b.keyingress.de/multimedia/document/6.pdf?hc_location=ufi
[14] https://whyevolutionistrue.wordpress.com/2013/05/08/pew-report-on-muslim-world-paints-a-distressing-picture/
[15] https://www.uni-bielefeld.de/ikg/Handout_Fassung_Montag_1212.pdf
[16] https://d171b.keyingress.de/multimedia/document/6.pdf?hc_location=ufi
[17] http://www.shortnews.de/id/1073306/berlin-vietnamesische-migranten-haben-groessten-bildungserfolg
[18]https://www.bmi.bund.de/cae/servlet/contentblob/566008/publicationFile/31710/vollversion_studie_muslim_leben_deutschland_.pdf
[19] http://www.welt.de/politik/ausland/article150610473/Religionsamt-erlaesst-Fatwa-gegen-Haendchenhalten.html
[20] https://de.wikipedia.org/wiki/Zentralrat_der_Muslime_in_Deutschland
[21] http://www.nw.de/lokal/bielefeld/mitte/mitte/20458700_Politikerin-warnt-vor-den-Islamverbaenden.html
[22] http://www.derwesten.de/politik/islam-verbaende-in-nrw-hoffen-auf-mehr-mitsprache-id11277025.html
[23] http://www.welt.de/politik/deutschland/article148699727/Integration-in-die-Parallelgesellschaft.html
[24] Michael Schmidt-Salomon – Manifest des evolutionären Humanismus
[25] http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/2325730/Reformation-der-Religion#/beitrag/video/2325730/Reformation-der-Religion
[26]http://www.deutschlandfunk.de/lale-akguen-ich-moechte-keine-verkirchlichung-des-islam.886.de.html?dram%3Aarticle_id=320102
[27] https://zeitschrift-ip.dgap.org/de/article/getFullPDF/13870
[28] Michael Schmidt-Salomon – Manifest des evolutionären Humanismus
ein fundierter und absolutlesenswerter Beitrag zur aktuellen Situation, mit rückblickenden Quellenverweisen und einem in die Zukunft gerichteten Appell, der hoffentlich heute wahrgenommen wird.
Grundsätzlich ein lesenswerter Artikel mit einer guten Analyse der Einstellung und Gedankenwelt vieler Muslime in Deutschland und den daraus resultierenden Problemen.
Was aber die Analyse der Glaubensbasis der Muslime betrifft möchte ich gerne ein paar Korrekturen anbringen (aus denen so mancher ungebildete Muslim auch noch etwas lernen kann):
zu 1. Islam als (angebliches) Integrationshemmnis.
a) zum Propheten Muhammad:
– Der Prophet Muhammad hat keine Angriffskriege geführt sondern sich maßgeblich gegen die Aggressoren aus Mekka verteidigt. Die finale Einnahme von Mekka erfolgte komplett unblutig und alle seine Gegner, die vorher versucht hatten ihn umzubringen, wurden begnadigt. Sämtliche weiteren islamischen Gebietserweiterungen sind in der Zeit nach dem Propheten erfolgt und können dementsprechend auch nicht dem Propheten zugeschrieben werden.
– Eine Ehe mit einer Minderjährigen mag aus heutiger Sicht tatsächlich sehr eigenartig erscheinen, war aber auch im christlichen Mittelalter keine Seltenheit. Im Bezug auf den Propheten ist hier anzumerken das viele seiner Ehen einen maßgeblich politischen Charakter hatten. Fakt ist, dass der Prophet bestrebt war die Stellung der Frau im patriarchalisch geprägten Arabien deutlich zu verbessern (auch wenn die Araber und andere Volksgruppen des späteren Osmanischen Reiches sich diesbezüglich leider wieder häufig an der vorislamischen Zeit orientiert haben und nicht mehr dem Beispiel des Propheten folgen).
b) zum Koran
In Fußnote 3 wird die Offenbarung des Koran als Gottes Wort als unsinnig bezeichnet. Ein solches Statement sollte in einem sachlichen Artikel nicht getroffen werden, da das Verständnis des Koran als Gottes Wort zentraler Bestandteil des Islamische Glaubens ist (was auch ‚moderne‘ Muslime nicht bestreiten werden).
Entsprechend modernen Auslegungen des Koran (wie z.B. von Mouhanad Khorchide) sind zwar einige Passagen des Koran im Zusammenhang mit bestimmten Anlässen offenbart worden und sind dementsprechend sinnvollerweise auch nur aus dem historischen Kontext heraus zu betrachten, das Verständnis vom Koran als Gottes Wort bleibt davon aber unberührt.
Die im Abschnitt 1) getroffene Aussage, dass der Koran Glauben über Wissen stellt ist inkorrekt wie sich klar belegen lässt, wenn man sich intensiver mit dem Koran beschäftigt. Das Erste Offenbarte Wort war ‚Lies‘ und nicht ‚Glaube‘. Da der Prophet Muhammad entsprechend der Überlieferung nicht lesen konnte, lässt sich hieraus bereits die Aufforderung zum Nachdenken und reflektieren ableiten. Dies wird an mehreren weiteren Stellen im Koran bekräftigt.
Wenn Imame etwas anderes predigen, dann haben sie entweder selbst den Koran nicht verstanden, oder benutzen Ihn gezielt als Instrument zur Instrumentalisierung der Masse von ungebildeten Muslimen.
Ich hoffe, diese aufgeführten Beispiele verdeutlichen, dass nicht der Islam als Religion Teil des Problems ist, sondern das was Menschen im Zuge der Jahrhunderte (und ganz besonders der letzten Jahrzehnte) daraus gemacht haben.
In diesem Sinne wünsche ich mir, dass wir durch Aufklärung gemeinsam jeglicher Art von Extremismus die Stirn bieten und somit einer weiteren Spaltung unserer Gesellschaft entgegenwirken können.